Das Südpolarmeer als Speicher für Wärme und Kohlenstoff

Der fortdauernde Gebrauch fossiler Brennstoffe und veränderte Landnutzung, wie zum Beispiel die Abholzung von Wäldern für landwirtschaftliche Nutzung, haben zu einer starken Erhöhung des Kohlenstoffdioxidgehalts in der Atmosphäre geführt. Dies ändert das Klima unseres Planeten rasch mit vielen Risiken für die Menschen, wie beispielsweise Meeresspiegelanstieg und die Zunahme von Extremwetterereignissen. Der Ozean dämpft die Erwärmung der Atmosphäre erheblich. Er hat insgesamt mehr als 25 Prozent der menschlichen Kohlenstoffdioxidemissionen aufgenommen und sogar mehr als 90 Prozent der zusätzlichen Wärme, die durch die Treibhausgase ins Klimasystem gebracht wurde. Dadurch verlangsamt der Ozean die Erderwärmung maßgeblich. Aber es wird nicht überall im Ozean Wärme und Kohlenstoffdioxid gespeichert. Die Aufnahme und Speicherung von Wärme und anthro­pogenem Kohlenstoffdioxid ist eng mit der Ozeanzirkulation verflochten.  
Das Südpolarmeer erstreckt sich um den Antarktischen Kontinent und nimmt etwa 25 Prozent der globalen Ozeanoberfläche ein, hat aber seit 2005 etwa 50 Prozent der überschüssigen Wärme aufgenommen. Auch bei der Aufnahme des anthropogenen Kohlenstoffdioxids aus der Atmosphäre (40 Prozent) leistet das Südpolarmeer mehr, als sein Flächenanteil erwarten lassen würde. Deshalb spielt das Südpolarmeer eine besondere Rolle als Bremse des Klimawandels.

Wie speichert das Südpolarmeer Wärme und Kohlenstoffdioxid?

Kohlenstoffdioxid wird an der Meeresoberfläche aus der Luft aufgenommen und im Meerwasser gelöst. Die Temperatur und der Salzgehalt des Oberflächenwassers bestimmen, wieviel Kohlenstoffdioxid im Wasser gelöst werden kann. Warmes, salziges Wasser kann nur wenig Kohlenstoffdioxid aufnehmen. Je kälter und salzärmer das Wasser ist, umso mehr Kohlenstoffdioxid wird gelöst.
Der Transport von Kohlenstoffdioxid in den tiefen Ozean findet durch zwei unterschiedliche Prozesse statt, die sogenannte Physikalische Pumpe und die Biologische Pumpe.

Die Physikalische Pumpe

Die Physikalische Pumpe ist hauptverantwortlich für den Transport menschengemachter Kohlenstoffdioxid-Emissionen und Wärme in den tiefen Ozean. Sie wird durch die globalen Meeresströmungen angetrieben, ausgelöst durch Unterschiede in Temperatur und Salzgehalt im Ozean. In Schlüsselregionen kühlen die Wassermassen an der Ozeanoberfläche stark ab, so dass sie dichter und schwerer werden und schließlich in die Tiefe absinken. Der im Wasser gelöste Kohlenstoff wird dabei mit in die Tiefe genommen. Dies passiert vor allem in den Polarregionen sowie im subpolaren Nordatlantik. Von dort aus beginnt für die Wassermassen eine lange Reise mit den Meeresströmungen durch alle Ozeane. Dabei bleibt der im Wasser gelöste Kohlenstoff für Jahrzehnte bis Jahrhunderte aus der Atmosphäre entfernt.

Schlüsselrolle des Südpolarmeers in der globalen Ozeanzirkulation
Die globalen Ozeane, dargestellt in der Spilhaus Projektion. Die weltweiten ozeanischen Strömungen von warmem Oberflächenwasser (rot) und kaltem Tiefenwasser (blau) sind stark vereinfacht dargestellt. Bild: L.Sanguineti, Universität Bremen, adaptiert von Meredith 2019. Die Karte wurde mit der Open Source Java Script Bibliothek D3 auf der Grundlage der Arbeit von Torben Jansen erstellt.
Speicherung von Wärme und Kohlenstoffdioxid im Südpolarmeer
Schematische Darstellung der Wärme- und Kohlenstoffdioxidaufnahme im Südpolarmeer. Die Kohlestoffspeicherung erfolgt durch das absinkende Wasser (Physikalische Pumpe) und aufgrund der hohen Nährstoffverfügbarkeit durch Phytoplanktonproduktion und Eingang ins ozeanische Nahrungsnetz (Biologische Pumpe).

Im Südpolarmeer ist die Physikalische Pumpe besonders stark. Grund dafür ist der Antarktische Zirkumpolarstrom – der Hauptmotor der globalen Ozeanzirkulation, der das globale Klima entscheidend beeinflusst. Durch den Zirkumpolarstrom erhält das Südpolarmeer seine Sonderrolle für die Aufnahme von Wärme und anthropogenem Kohlenstoff. Der Zirkumpolarstrom ist die mit Abstand stärkste Meeresströmung der Erde und wird von starken Westwinden und Dichteunterschieden zwischen den warmen Subtropen und der vereisten Antarktis angetrieben.

Ein Großteil der Wärme- und Kohlenstoffdioxidaufnahme findet im Bereich des Zirkumpolarstroms statt. Südlich des Zirkumpolarstroms steigt Tiefenwasser auf, das an der Oberfläche neues Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre aufnimmt und anschließend durch Abkühlung am nördlichen Rand des Zirkumpolarstroms abtaucht. Dieses sogenannte Antarktische Zwischen­wasser kann bis in die gemäßigten nördlichen Breiten vordringen. Dies ist einer der Haupttransportwege von anthropogenem Kohlenstoffdioxid in das Ozeaninnere. Die Ozeanregionen, in denen Zwischenwasser gebildet wird, haben sich in den letzten fünfzig Jahren sehr viel schneller erwärmt als der Weltozean.

Ein anderer Teil des aufquellenden Tiefenwassers erreicht den antarktischen Kontinentalhang. Abkühlung durch Kontakt mit der Atmosphäre, Anreicherung mit Salz­lauge durch Meereisbildung und Wechselwirkungen mit dem angrenzenden Schelfeis lassen sehr schwere Wassermassen entstehen. Diese strömen den Kontinentalhang bis zum Boden hinab und reißen dabei auch erhebliche Mengen von Umgebungs­wasser mit sich. Das auf diese Weise entstandene Ant­arktische Bodenwasser breitet sich mit dem Zirkumpolarstrom aus, um anschließend alle tiefen Becken der Weltozeane zu füllen. Durch den vorherigen Kontakt mit der Atmosphäre führt das Bodenwasser ebenfalls anthropogenes Kohlenstoffdioxid mit sich. Die Physikalische Pumpe wird durch höhere Wassertemperaturen aufgrund der globalen Erwärmung an Effizienz verlieren.

Die Biologische Pumpe

Die biologische Pumpe transportiert von Algen gebundenes Kohlenstoffdioxid in den tiefen Ozean. Im lichtdurchfluteten Oberflächenwasser (bis 100m Tiefe) betreiben einzellige Algen (Phytoplankton), Makroalgen und Seegräser Photosynthese. Das heißt, sie nutzen das im Wasser gelöste Kohlenstoffdioxid, um mit Hilfe der Sonnenenergie und unter Nutzung von Nährstoffen Biomasse aufzubauen. Dies ist die Grundlage der Nahrungsnetze im Ozean. Im Südpolarmeer werden mit dem aufsteigenden Tiefenwasser Nährstoffe an die Oberfläche gebracht, dadurch gibt es dort eine besonders üppige Phytoplanktonproduktion. Der in den Algen gebundene Kohlenstoff kann durch das gesamte ozeanische Nahrungsnetz wandern, von Kleinkrebsen über verschiedene Fischarten bis hin zu Meeressäugern wie Walen und Robben. Dabei wird ein Teil des Kohlenstoffs erneut in Biomasse umgewandelt (zum Beispiel in Form von Muskelfleisch oder Fett), ein Teil wird veratmet und wieder als Kohlenstoffdioxid ins Meerwasser abgegeben, ein Teil sinkt in Form von Kot zum Meeresboden. Abgestorbene Algen oder Meerestiere sinken ebenfalls Richtung Meeresboden und werden auf dem Weg dorthin durch Bakterien zersetzt, oder von Tiefseeorganismen konsumiert. Am Boden angekommene Restmengen werden im Sediment eingelagert und der enthaltene Kohlenstoff dem natürlichen Kreislauf auf diese Weise für sehr lange Zeit entzogen. Entscheidend für den weiteren Verlauf des Klimawandels ist, wieviel Biomasse unterhalb der von Wind und Wellen durchmischten Deckschicht des Ozeans sinkt. Im darunter liegenden Zwischen- und Tiefenwasser ist der in der Biomasse enthaltene Kohlenstoff nämlich für Jahrzehnte bis Jahrhunderte eingeschlossen.

Woran arbeitet die Forschung?

In den letzten fünfzig Jahren hat sich das Südpolarmeer unterhalb von etwa 1000 Metern Tiefe sehr viel schneller erwärmt als der Welt­ozean. Um festzustellen, wie sich die Physikalische und die Biologische Pumpe im Südpolarmeer durch den Klimawandel verändern, müssen umfangreiche Beobachtungen gemacht werden, auch um globale Folgen abschätzen zu können.
Paläoklimadaten sind notwendig, um langfristige Klima­mechanismen besser zu dokumentieren und um Modelle zu verbessern. Neben Kohlenstoffdioxid-Messungen aus Eiskernen sind zeitlich noch viel weiter zurückreichende Paläoklimadaten aus Sedimentkernen wichtig. Sedimentkerne ermöglichen den Einblick in Zeitalter, die wärmer waren als heute und sind somit für unser Verständnis der zukünftigen Klimaentwicklung besonders wertvoll.
Die Beobachtungen müssen mit einer Weiterentwicklung der Modelle verknüpft werden, damit realistische Zukunftsprognosen gestellt werden können. Im Fokus der deutschen Polarforschung stehen folgende Fragen:

Wie beeinflussen der Klimawandel und die zunehmende atmosphärische Kohlenstoffdioxid-Konzentration die Aufnahme und Verteilung von Wärme und Kohlenstoff im Südpolarmeer?

Die Kohlenstoffdioxidaufnahme im Südpolarmeer kann sich innerhalb weniger Jahre deutlich stärker verändern als noch vor zehn Jahren angenommen. In den 1990ern stagnierte die Kohlenstoffdioxidaufnahme, nahm aber in den darauffolgenden 2000ern erheblich zu. Es ist noch nicht geklärt, welche Prozesse hier die wichtigste Rolle spielen und ob lücken­hafte Beobachtungen zu einer Überschätzung der Schwan­kungen führen. Ungeklärt ist auch, ob Modelle diese Schwankungen in der Kohlenstoffdioxidaufnahme unterschätzen.

Aus Paläoklimadaten wissen wir, dass bedeutende Änderungen der Westwinde im Zuge von Erwärmungen stattgefunden haben. Eine Verstärkung der Westwinde ist in den letzten Jahrzehnten bereits beobachtet worden. Diese hat zu einem verstärkten Auftrieb kohlenstoffreichen Tiefenwassers, einer verstärkten Bildung von Antarktischem Zwischenwasser und einer Zunahme von Wirbeln geführt. Es ist eine offene Frage, welche Rolle Wirbel zukünftig für die Aufnahme, Speicherung und den Abtransport von Wärme und Kohlenstoff spielen werden.

Eine weitere Veränderung, die in den letzten Jahren wiederholt aufgetreten ist, ist die großflächige Weddell- Polynja, in der Tiefenwasserbildung stattfindet. Es ist unklar, ob dieses Phänomen im Zuge des Klimawandels regelmäßig oder sogar häufiger auf­treten wird.

Wie sehr beeinflussen erwartete Veränderungen der biologischen Produktivität und Artenzusammensetzung die Kohlenstoffaufnahme im Südpolarmeer?

Experimente zeigen, dass Plankton, die Grundlage mariner Nahrungsnetze, empfindlich auf zukünftig erwartete Umweltveränderungen reagiert. Bis jetzt wurden noch keine weiträumige Veränderung der Plankton-Zusammensetzung oder biologischen Produktivität beobachtet. Biologische Produktivität ist die Gesamtmenge an Biomasse, die von lebenden Organismen in einem bestimmten Gebiet innerhalb eines bestimmten Zeitraums erzeugt wird. Damit ist bisher auch keine Veränderung der Biologischen Pumpe festgestellt worden.
Es ist schwierig, die Rolle verschiedener Planktongruppen für Kohlenstoff- und Nährstoffkreis­läufe unter den sich ändernden Umweltbedingungen in Modellen darzustellen. Vorhersagen von biologischer Produktivität basieren auf einem stark vereinfachten Prozessverständnis und sind daher noch sehr unsicher.

Welche globalen Folgen haben Änderungen im Südpolarmeer?

Veränderungen der Wärme- und Kohlenstoffaufnahme im Südpolarmeer werden auch im globalen Ozean und in der Atmosphäre spürbar sein. Hierzu müssen noch viele Forschungsfragen beantwortet werden, wie zum Beispiel: Wo und wann treten im Südpolarmeer aufgenommener Kohlenstoff und aufgenommene Wärme wieder in Kontakt mit der Atmosphäre? Wie wird dies zum Beispiel durch veränderten Nährstofftransport beeinflusst?

Um Auswirkungen der Veränderungen im Südpolarmeer auf globale Klimaschwankungen zu verstehen, wurden während der letzten Jahrzehnte Sedimentkerne aus einem die Weltmeere umspannenden Netzwerk entnommen. Dadurch konnten Erkenntnisse über vergangene Umweltveränderungen gewonnen werden. Daher weiß man auch, dass der Antarktische Zirkumpolarstrom eine Schlüsselrolle für globale Klima­schwankungen spielt. Rekonstruktionen zur Lage und Stärke des Zirkumpolarstroms während früherer Erwärmungsphasen können für unsere Zukunft weitreichende Einsichten bringen. Bisher existieren allerdings noch große Lücken in der Sedimentkernbeprobung im Südpolarmeer, die geschlossen werden müssen.

Welche Auswirkungen haben Änderungen der Ozeanzirkulation für die Wärme und Kohlenstoffaufnahme? Wie verändern sich dadurch Prozesse wie zum Beispiel Ozeanversauerung, biologische Produktivität und Kohlenstoffspeicherung?

Eis- und Sedimentkerne haben gezeigt, dass die Kohlenstoffdioxid-Konzentrationen der Atmosphäre in den letzten 800 000 Jahren eng zusammenhingen mit antarktischen Luft- und Wassertemperaturen. Die Biologische und die Physikalische Pumpe im Südpolarmeer haben die natürlichen Kohlenstoffdioxid-Schwankungen zwischen Warm- und Eiszeiten maßgeblich gesteuert. Diese Kopplung erfolgt durch Strömungsänderungen im Bereich des Antarktischen Zirkumpolarstroms, die den Eintrag des Nährstoffs Eisen aus atmosphärischem Staub in das Südpolarmeer beeinflussen. Dadurch wird das Wachstum von Algen und folglich die Effektivität der Biologischen Pumpe beeinflusst. Eine Störung dieses empfindlichen Gleichgewichts durch Klima- und Umweltveränderungen (wie zum Beispiel Ozeanversauerung) kann beträchtliche Auswirkungen auf die atmosphärische Kohlenstoffdioxid-Konzentration und damit auf die globale Erwärmung haben. Um die Kohlenstoffauf­nahme und -speicherung besser zu verstehen, muss erforscht werden, wie viel biologisch gebundener Kohlenstoff den tiefen Ozean erreicht und welche Prozesse dies beeinflussen. Dazu sind Feldbeobachtungen sowie Experimente mit Schlüsselarten unter kontrollierten Bedingungen nötig.

Um die zukünftigen Änderungen durch den Klimawandel abschätzen zu können, werden bessere Modellsimulationen benötigt. Zurzeit können die beiden Kohlenstoffpumpen noch nicht realitätsnah in Erdsystemmodellen dargestellt werden. Dafür müssen Prozesse wie ozeanische Wirbel, ihre Wechselwirkungen mit den verstärkten Westwinden und die Antarktische Boden- und Zwischenwasserbildung auf der Skala weniger Kilometer dargestellt werden können. Dies erfordert enorme Kapazitäten von Großrechnern. Veränderungen, wie zum Beispiel der gestiegene Schmelzwassereintrag durch Eisberge und durch Schelfeis, müssen ebenfalls in die Modelle integriert werden.

Eisberge in der Bucht von Rothera, Antarktische Halbinsel. Foto: R. Ricker, Alfred-Wegener-Institut.