Forschung am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie, Institutsteil Bioanalytik und Bioprozesse
Auch die weißen Schnee- und Gletscherhabitate der polaren und hochalpinen Regionen unserer Erde sind nicht unbesiedelt. Obwohl meist wüstenhaft erscheinend zeigten schon Berichte und Sammlungen von Schneealgen vor über 200 Jahren, dass diese extremen und ewigkalten Habitate u.a. von Mikroalgen besiedelt werden, die das Phänomen des „Roten und Grünen Schnees“ hervorrufen. Es handelt sich dabei nicht um Rotalgen, sondern meist um verschiedene Vertreter der Grünalgen (Chlorophyta), wobei aber auch andere taxonomischen Gruppen auf Schnee zu Massenentwicklungen und weithin sichtbaren Verfärbungen des ansonsten weißen Schnees führen können (Zygnematophyceae, Chrysophyceae, Bacillariophyceae u.a.). Neben der als erstes bekannt gewordenen Art Sanguina nivaloides (besser bekannt unter ihrem alten Namen Chlamydomonas nivalis, 2019 von uns neu beschrieben) findet man eine äußerst diverse Lebensgemeinschaft auf Schnee- und Gletscherfeldern – viel diverser als man ursprünglich dachte. Einige dieser Schneealgen sind sogar so extrem an ihren kalten Lebensraum angepasst, dass sie als psychrophil (kälteliebend) bezeichnet werden – sie sterben bereits bei etwas höheren Temperaturen (8-18 °C) ab und haben ein deutliches Optimum unter 15 °C. Um diese äußerst interessante obligatorische Anpassung an ein extremes Leben bei 0 °C und darunter, teilweise Dauerlicht und Dauerdunkel und u.a. auch unter Salzstress erforschen zu können, fehlte es an öffentlichen Algensammlungen, die diese Bioresource für Untersuchungen zur Verfügung stellten (einige wenige interne Forschungssammlungen gab es in den USA und Australien). Somit begannen wir im Rahmen der Koldewey 07 Expeditionen im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms 1158 – Antarktisforschung mit der Sammlung und Isolierung von Schneealgen, sowie der Erforschung ihrer Ökologie, Physiologie, Phylogenie, Taxonomie, u.v.m. Die Algenisolate werden seit 1999 über die Biobank CCCryo am Fraunhofer IZI-BB der Forschergemeinde zugänglich gemacht und die Anzahl ist mittlerweile auf über 500 angewachsen. Die CCCryo gilt mittlerweile als umfangreichste und diverseste öffentliche Algensammlung von Schneealgen weltweit. Auf dem alle 2 Jahre stattfindenden Snow Algae Meeting (SAM) tauscht sich die internationale Forschendengemeinde regelmäßig aus.
Forschungsfragen
- Wie divers ist die Lebensgemeinschaft der Schneealgen in den alpinen und polaren Gebieten wirklich?
- Aufbau einer Schneealgensammlung CCCryo, um Reinisolate der Forschendengemeinschaft für Laborexperimente verfügbar zu machen
(siehe Webseite der CCCryo) - Welche spezifischen Anpassungen findet man (nur) in Schneealgen? Was unterscheidet sie von „normalen“ Algen?
- Eignen sich bestimmte Metabolite, Proteine oder Enzyme aus Schneealgen für industrielle Anwendungen?
Methoden
- Sammlung und Isolierung von Schnee- und Permafrostalgen während diverser Expeditionen im Rahmen des SPP 1158 und eigenfinanzierter Expeditionen nach Svalbard und in die Antarktis
- Taxonomische Charakterisierung durch Sequenzierung von Markergenen und phylogenetische Analysen
- Charakterisierung der Isolate bezüglich präferierter Wachstumstemperaturen, Pigmente, Fettsäuren, EPS (extrazellulärer Polysaccharide, Gallerte), eisstrukturierender Proteine (ISP) u.a. Metabolite
Verantwortlicher
Dr. Thomas Leya, Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie, Institutsteil Bioanalytik und Bioprozesse IZI-BB
Extremophilenforschung & Biobank CCCryo
Projekte mit unserer Beteiligung
im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms 1158 – Antarktisforschung
– Koldewey 07 (KOL 07) Kampagne:1998, 1999, 2000, 2002, 2004 und 2010
– ANT-Land_05-06 Kampagne: 2006 Forschungsaufenthalt in der Antarktis auf der Jubany-Station – weitere institutsfinanzierte Forschungsreisen nach Svalbard