Was ist Permafrost und welche Bedeutung hat er für den Klimawandel?
Die Arktis ist besonders stark vom Klimawandel betroffen. Die rasante Erwärmung führt zum Auftauen des dauerhaft gefrorenen Bodens, dem sogenannten Permafrost. Im Permafrost sind Überreste von abgestorbenen Pflanzen und Tieren über Hunderttausende von Jahren eingefroren. Wenn Permafrostboden taut, beginnen Bakterien diese Überreste zu zersetzen. Dabei werden die Treibhausgase Kohlenstoffdioxid und Methan freigesetzt, die die globale Erwärmung weiter beschleunigen. Etwa 1500 Gigatonnen organischen Kohlenstoffs sind in Permafrostböden gebunden. Dies entspricht ungefähr zweimal der Menge, die sich derzeit in Form von Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre befindet. Durch Tauen der Permafrostböden könnten bis zum Jahr 2100 zehn bis Hunderte von Milliarden Tonnen an organischem Kohlenstoff freigesetzt werden. Das würde den Klimawandel drastisch verschärfen.
Welche Menge an Treibhausgas darf der Mensch noch emittieren oder wie viel Kohlenstoff muss wieder aus der Atmosphäre entfernt werden, um die globale Erwärmung auf 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau zu beschränken? Diese Frage versucht die Wissenschaft zu beantworten, denn es besteht weitreichende Übereinstimmung, dass mit der 1,5°C Begrenzung eine gefährliche Störung des Klimasystems gerade noch vermieden werden kann. Bei einer Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze wären Wetterextreme und andere Klimafolgen kaum zu bewältigen und würden die ökonomischen Kosten unvertretbar hoch ansteigen lassen. Treibhausgasbilanzen aus Modellen berücksichtigen bisher noch nicht, wie sich Permafrostlandschaften mit dem zukünftigen Klima verändern werden. Permafrost-Ökosysteme sind durch komplexe Wechselwirkungen zwischen Klima, Wasser, Organismen und Boden gekennzeichnet, von denen viele bisher noch unerforscht sind. Deshalb sind zukünftige Treibhausgasbilanzen bisher noch höchst unsicher.
Was zeichnet Permafrostlandschaften aus und was passiert, wenn Permafrost taut?
Permafrostböden bedecken ein Fünftel der Landoberfläche der Erde und kommen vor allen Dingen auf der Nordhalbkugel vor (hauptsächlich in Sibirien, Kanada, Alaska, China und Grönland, aber auch in alpinen Höhenlagen). Der größte Teil des heutigen Permafrosts entstand während oder seit der letzten Eiszeit vor 100.000 bis 10.000 Jahren.
Böden in Permafrostregionen bestehen typischerweise aus zwei Schichten: einer dünnen Schicht von bis zu zwei Metern Tiefe, die im Sommer auftaut und im Winter wieder einfriert, die sogenannte Aktive Schicht und die darunter liegende dauerhaft gefrorene Permafrostschicht.
Die Permafrostschicht kann einige Meter bis mehrere hundert Meter mächtig werden. Dies ist abhängig von der Luft- und Bodentemperatur, den Eigenschaften des Bodens (vor allem vom Wassergehalt) und der Dichte der Vegetation. In Teilen Nordsibiriens beispielsweise gibt es im Winter extreme Kälte und nur wenig Schneefall. Ohne die schützende Schneedecke kann die Kälte dort tief in den Boden eindringen, sodass der Permafrost sogar etwa 1500m ins Erdinnere reicht.
Permafrostgebiete werden untergliedert in Zonen kontinuierlichen, diskontinuierlichen und sporadischen Permafrostes. Bei kontinuierlichem Permafrost ist mehr als 90% des Gebietes von Permafrost unterlagert, der bis mehrere 100 m in die Tiefe reichen kann. In diskontinuierlichem Permafrost sind 50 bis 90 % des Gebietes unterlagert. Der Permafrost reicht hier stellenweise nur wenige Meter in die Tiefe. Bei sporadischem Permafrost sind 10 – 50 % unterlagert. Karte: Nunataryuk Projekt
Permafrost besteht aus Gestein, Sediment und Erde mit unterschiedlichen Mengen an Eis, das wie Zement wirkt und das lose Sediment zusammenhält. Wenn dieses Grundeis schmilzt, wird der Boden schwach und instabil. Dies kann vielseitige Schäden zur Folge haben:
Infrastrukturschäden
Bei Städten, die auf Permafrostböden gebaut wurden, hat man angenommen, dass sich die solide Grundlage des Permafrostbodens nicht verändern würde. Landsenkungen und abnehmende Bodenstabilität verursachen direkte Schäden an Gebäuden, Straßen, Pipelines, Industrieanlagen und anderen Infrastrukturen. Davon sind etwa 4.9 Millionen Menschen betroffen. Für die nächsten Jahrzehnte rechnet man mit einem enormen finanziellen Aufwand zur Schadensbekämpfung und -minderung. Für Unterbrechungen von alltäglichen Dienstleistungen, Standortverlagerungen und Reparaturkosten werden Hunderte von Millionen an Kosten anfallen.
Ökosystemschäden
Eine Erhöhung der Permafrosttemperatur beeinflusst die Wasserverhältnisse im Boden und an der Oberfläche erheblich, denn Permafrost ist für Wasser undurchlässig. Der Verlust von Permafrost unter Gewässern kann dazu führen, dass das darüber liegende Wasser durch den Boden absickert. Dies hat den Verlust unzähliger Seen und Feuchtgebiete zur Folge und kann auch die Trinkwasserversorgung von Siedlungen gefährden.
Landsenkungen infolge von tauendem Permafrost lassen eine uneinheitliche, als Thermokarst bezeichnete Hügellandschaft entstehen. In den Senken sammelt sich Wasser und bildet Seen, Anhöhen dagegen fallen trocken. Dadurch verursachen die Veränderungen im Permafrost auch Veränderungen der Vegetation. Verliert der Boden an Stabilität, führt dies zur Schädigung von Baumwurzeln und umstürzenden Bäumen. In trocken gefallenen Gebieten nimmt die Gefahr von Waldbränden und Insektenbefall zu, während Bäume in neu entstandenen Senken aufgrund von Staunässe eingehen können.
Feuchtgebiete und Seen können während der Auftauphase die Tauvorgänge des unter ihnen liegenden Permafrostes beschleunigen, da sie Wärme besser leiten. Im Winter hingegen wirken sie als Isolationsschicht, so dass der Boden darunter langsamer gefriert. Tauen des Permafrosts und Seenentwicklung sind somit sich gegenseitig verstärkende Prozesse.
Ein weiteres Problem ist, dass durch tauenden Permafrost Sedimente und Schadstoffe wie Quecksilber freigesetzt und über Flüsse in den Arktischen Ozean transportiert werden. Diese sind schädlich für die Umwelt und können in die marine Nahrungskette gelangen.
Die schnellen Landschaftsänderungen stellen außerdem Tiere in ihrer Anpassungsfähigkeit vor große Herausforderungen und können zu Artenverlust führen.
Küstenerosion
Instabile, geschwächte Küstenlinien, die durch den Rückgang des Meereises, wärmere Gewässer und längere Sturmsaisons noch weiter geschwächt werden, sind anfälliger für Erosion. Dies bedroht küstennahe Siedlungen. Außerdem gelangen durch Küstenerosion Sediment, zusätzliche Nährstoffe und Kohlenstoff in den Ozean, was zu Ökosystemänderungen und Ozeanversauerung beiträgt.
Erdrutsche
In hohen Lagen und steilem Berggelände erhöht das Auftauen des Permafrosts das Risiko von Felsstürzen und Erdrutschen, die zusätzliche Gefahren auslösen können.
Woran arbeitet die Forschung?
Tauender Permafrost bedroht das globale Klima und stellt die lokale Bevölkerung vor große Herausforderungen. Intelligente Landnutzungskonzepte hätten aber das Potenzial, tauen des Permafrosts, Treibhausgasemissionen und Artenverlust zu mindern und damit das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu erleichtern. Um besser zu verstehen, wie sich der Klimawandel auf die Permafrostökosysteme auswirkt und umgekehrt, wie sich die Veränderungen der Permafrostökosysteme auf den Klimawandel auswirken, arbeitet die deutsche Polarforschung mit folgenden Fragen im Fokus:
Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf den Permafrost, die Dynamik von Permafrostlandschaften und zukünftige Treibhausgasemissionen?
Arktische Permafrostlandschaften mit hohen Grundeisgehalten sind durch die globale Erwärmung besonders gefährdet. Das Grundeis führt beim Schmelzen zu schnellen Veränderungen der Landschaft, wie Thermokarst und Erosion. Permafrost-Sedimentarchive belegen dies auch für vergangene Erwärmungsphasen. Die schnelle Erwärmung des Permafrosts sowie zusätzliche Störungen durch Thermokarstseen, Feuer oder Erosion können zu gravierenden Veränderungen der Permafrostökosysteme innerhalb von Jahren bis Jahrzehnten führen. Beobachtungen vor Ort und satellitengestützte Beobachtungen sowie numerische Modellierungen belegen die Landschaftsveränderungen über weite Regionen hinweg. Damit einher geht der größtenteils unumkehrbare Wandel der Wasserverhältnisse und biogeochemischer Abläufe. Für verlässliche Aussagen über die Veränderungen von Permafrostlandschaften und zukünftige Treibhausgasemissionen braucht man langfristige Beobachtungen von Permafrosttemperaturen, Bodeneigenschaften und Treibhausgasemissionen.
Wie interagieren Vegetation, Biodiversität, Permafrost und Klima und welche Änderungen der Ökosystemfunktionen ergeben sich?
Die komplexen Wechselwirkungen zwischen tauendem Permafrost, Mikroorganismen, Nährstoffen und Pflanzen, die zur Freisetzung von Treibhausgasen führen, sind noch nicht vollständig verstanden. Deshalb sind zukünftige Treibhausgasbilanzen immer noch höchst unsicher.
Während in den feuchter werdenden Gebieten die Methan-Emissionen stark ansteigen werden, ist in Regionen, deren Böden wärmer und trockener werden, mit erhöhten Kohlenstoffdioxid-Emissionen zu rechnen. Es gibt noch große Unsicherheiten bei der Abschätzung der Methanemissionen aus den zahlreichen Seen und Feuchtgebieten der Permafrostregionen und aus angrenzenden Schelfmeeren. Dazu liegen noch zu wenig Daten vor. Erste Studien deuten auf die Bedeutsamkeit von Treibhausgasemissionen in den kalten Jahreszeiten von Oktober bis Mai hin. Diese haben möglicherweise bereits dazu geführt, dass Permafrostgebiete schon jetzt zu einer Kohlenstoffquelle geworden sind.
Zunehmend wird erkannt, dass biologische Rückkopplungsmechanismen zur Stabilisierung der Permafrostökosysteme führen können. Sibirischer Lärchenwald beispielsweise mit seinem flachen, dichten Wurzelteppich wirkt sich isolierend auf das Grundeis aus. Dadurch taut der Permafrost dort langsamer als in nicht bewaldeten Gebieten. Außerdem wird die Einwanderung konkurrenzfähiger immergrüner Koniferen verzögert, die durch ihre dunkle Oberfläche mehr Wärmestrahlung speichern.
Welchen Einfluss haben steigende Meerestemperaturen auf die Stabilität des submarinen Permafrosts und den dazugehörigen Kohlenstoffspeicher?
In großen Gebieten der flachen sibirischen Schelfmeere gibt es unter dem Meeresgrund submarinen Permafrost. Gebildet hat er sich während der letzten Eiszeiten, als der Meeresspiegel circa 120 Meter tiefer lag als heute. Die Mächtigkeit des submarinen Permafrosts reicht von wenigen zehn bis zu circa 800 Metern Tiefe. Es ist noch unklar inwieweit die tiefgreifenden Umweltveränderungen infolge des Klimawandels Auswirkungen auf die Stabilität des submarinen Permafrosts haben.
Ozeanografische Langzeitmessungen in der zentralen Laptewsee zeigen seit 2005 einen deutlichen Anstieg der Oberflächenwassertemperatur um durchschnittlich 4 °C im Sommer. Die Wassertemperatur am Meeresgrund liegt im Durchschnitt bei etwa −1,3 °C. Dort treten jedoch immer wieder wärmere Perioden auf mit bis zu 0 °C. Diese Perioden sind in den letzten Jahren länger und wärmer geworden. Um zu klären, wie sich die zunehmenden Temperaturen des Oberflächenwassers auf die Temperaturen am Grund auswirken, werden mehr Daten benötigt.
Unklar ist auch, welche Rolle Mikroorganismen bei der Bildung, Stabilisierung und Degradation von Gashydraten spielen. Gashydrate sind kristalline, eisähnliche Feststoffe, die aus einem Gas wie Methan oder Kohlenstoffdioxid und Wasser bestehen. Man vermutet, dass ungefrorene Zonen im submarinen Permafrost Transportwege für freigesetzte Gase aus Gashydraten sind. Eine Freisetzung der Methanvorkommen, die im submarinen Permafrost über Tausende Jahre fixiert waren, hätte wesentliche Auswirkungen auf das globale Klima.
Wie beeinflussen Änderungen der Permafrost-Ökosysteme und Rückkopplungen im Erdsystem das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen?
Veränderungen der Permafrost-Ökosysteme können den vom Menschen verursachten Klimawandel verstärken. Wie stark zusätzliche Treibhausgasemissionen aus Permafrostböden zum Klimawandel beitragen werden hängt vor allem davon ab, welche Maßnahmen jetzt zur Verminderung der globalen Erwärmung getroffen werden.
Mit Modellen können die zusätzlichen Emissionen für verschiedene Szenarien abgeschätzt werden. Diese Emissionen werden teilweise durch ein erhöhtes Pflanzenwachstum in einer wärmeren Arktis kompensiert werden. Allerdings wird das Eindringen von Büschen und Wald in die Tundra auch zu einer zusätzlichen Erwärmung führen, da sie die Landoberfläche verdunkeln und dadurch mehr Wärmestrahlung aufnehmen können. Um die Nachhaltigkeitsziele 13 – „Maßnahmen zum Klimaschutz“ und 15 – „Leben an Land“ der Vereinten Nationen zu erreichen, ist ein besseres Verständnis der Prozesse in den Permafrostlandschaften notwendig. Dazu werden mehr Beobachtungen und eine stärkere Integration von Modellen und Beobachtungen benötigt.
Die Permafrost-Klima-Rückkopplung ist eine Bedrohung für die Stabilisierung des Klimas, denn einmal in Gang gesetzte Tauprozesse sind nicht reversibel und können noch viele Hundert Jahre nach dem Ende menschlicher Treibhausgasemissionen weiterwirken. Die zukünftigen Kosten der Verringerung des Klimawandels werden in diesem Fall besonders hoch sein.